der Schummlauer

Die Elstraer Geschichten

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100 Jahre Zweiradhaus Mierisch in Elstra, Teil 2

Der 2. Weltkrieg beginnt und so wurde auch Karl Mierisch zum Militär eingezogen. Karl musste jedoch nicht zum Fronteinsatz, da er bereits im 1. Weltkrieg eingezogen worden war und so wurde er als Kurierfahrer auf dem Flugplatz Großenhain eingesetzt. Er wechselte hier vom Horex- Seitenwagenmotorrad zu einem DKW F7 Zweisitzer PKW und kam damit bis zum Ladogasee (Russland) zum Einsatz. Zurück von der Front wurde er Werkstattleiter auf dem Fliegerhorst Halberstadt, setzte sich kurz vor Kriegsende mit seiner Werkstattkompanie in die Tschechei ab und erlebte dort das Kriegsende am 08. Mai 1945.

Inzwischen war die Familie in der Heimat wie viele Elstraer am 28. April auf die Flucht in Richtung Tschechei gegangen. Sie kehrte erst am 25. Mai wieder zurück. Zu Fuß!

Nach dem Kriegsende bekam auch Elstra einen russischen Stadtkommandanten, der mit dem neuen Bügermeister für Ordnung sorgen sollte. Karl wurde verpflichtet, dafür zu sorgen, dass alles Kriegsmaterial, das auf Feldern und Wiesen liegengeblieben, zerschossen oder abgebrannt war, aufgeräumt wurde. Die defekten Fahrzeuge wurden instandgesetzt und den russischen Offizieren zur Nutzung übergeben. Die Firma Mierisch hatte damals 10 Beschäftigte, es gab also viel aufzuräumen und instandzusetzen.

Einmal bekam Karl für ein repariertes Auto von einem russischen Offizier ein Pferd geschenkt. Lange Freude hatte er jedoch nicht daran. Nach einem Monat wurde es ihm wieder gestohlen.

Ab und zu kamen auch die Russen zu Mierischs nach Hause. Dann wurde getrunken- Wodka aus Biergläsern-sto Gramm- und Speck mit rohen Zwiebeln gegessen. Die Offiziere waren dann meistens so betrunken, dass sie zur Kommandantur nach Kamenz oder Pulsnitz nach Hause chauffiert werden mussten. Ein anderes Mal hielt ein LKW mit ca. 10 bis 15 Personene russischer Militärpolizei vor Mierischs. Als Karl mit einem Motorrad von einer Probefahrt zurückkam, nötigten die Russen ihn, ihnen das Motorrad für eine Probefahrt zu überlassen. Als der Fahrer von seinem kurzen Ausflug zurückkam, fuhr er einfach in rasantem Tempo weiter, der Rest der Truppe sprang auf den LKW und fort waren sie. Leider auch das Motorrad. Es gäbe noch viele solcher und ähnlicher Geschichten zu erzählen. Es war eine wilde und zum Teil auch gefährliche Zeit.

Im Herbst 1945 wollten die Elstraer Kommunisten Karl enteignen. Dies konnte er aber auf Grund seiner guten Beziehung zum russischen Stadtkommandanten verhindern.

Karls Frau Helene hatte noch ein paar neue Fahrräder nach der kriegsbedingten Schließung des Geschäftes retten können. Sie waren zum Kriegsende auseinandergebaut und versteckt worden, damit sie nicht von den Russen gestohlen werden konnten. Um sie sicher verwahrt zu wissen, brachte Karl diese auf die neue Polizeistation in Elstra. Hier machten sie sich die neuen Polizisten zu eigen und fuhren damit Streife. Karl verließ aber nie der Mut und er half mit, wo er konnte, damit die Elstraer wieder mit allem Lebenswichtigen versorgt wurden.

Karl Mierisch kümmerte sich auch darum, dass Elstra wieder neue Kirchenglocken bekam. Die letzten waren 1944 abgenommen und zur Schmelze für Kriegmaterial verbracht worden. Mit einem Hanomag Kurier, Baujahr 1937, das als Betriebsfahrzeug diente, wurden Kartoffeln und Lebensmittel nach Apolda in die Glockengießerei gebracht, damit die Lieferung der Glocken etwas beschleunigt wurde. Auch Glockengießer hatten halt Hunger.

Da in den Jahren nach dem Krieg alles knapp war, so auch Ersatzteile für KfZ, kam Karl auf die Idee, eine mechanische Werkstatt, eine Dreherei, im eigenen Betrieb aufzubauen. Nach dem Tod des Schwiegervaters 1949 baute er in die Stellmacherwerkstatt eine Maschinenschlosserei. Mit Fräsmaschinen und Drehmaschinen, die er aus Trümmern einer zerbombten und ausgebrannten Chemnitzer Maschinenfabrik holte. Sie sollten verschrottet werden, dafür hielt sie Karl noch nicht reif. Er holte sie ab und machte sie wieder gebrauchsfähig. So war er, der Karl.

Fortsetzung folgt.